PJM im Interview: „Kein Job ist abwechslungsreicher“

Für das Magazin Pro Campus Presse hatte Kathi Preppner Philipp J. Meckert interviewt. Der Chefreporter des Kölner Express erzählt, warum man in seinem Metier ein dickes Fell braucht, wie er Gespräche mit Hinterbliebenen erlebt und wann in seinem Alltag schon mal Fäuste fliegen. Das Interview im Wortlaut:

Wie sind Sie Boulevardjournalist geworden?

Schon als 14-Jähriger schnupperte ich bei einem Radiosender erstmals diese ganz besondere, chaotische Atmosphäre einer Redaktion. Meine Schulferien verbrachte ich am liebsten in  Zeitungsredaktionen.Ich schrieb die Serie „Wo Promis essen gehen“, interviewte Manfred Krug, berichtete vom Mauerfall. Wenn man dann nachts die druckfrische Zeitung mit der eigenen Schlagzeile in der Hand hielt – es gab nichts Schöneres. Der Boulevard hatte mein Herz erobert.

Was sind die Herausforderungen dieses Berufs?

Die größte Herausforderung ist, jeden Tag eine gute Geschichte zu finden, die den Nerv der Leser und User trifft und die kein anderer Kollege hat. Dafür braucht es ein gutes Gespür, ein großes Netzwerk an Informanten, offene Augen und Ohren im Alltag, einen guten Umgang mit Menschen, viel Kreativität, Recherche und einen großen Schatz an Wissen und Routine. Daneben muss man als Reporter belastbar und mobil sein. Die neuen Herausforderungen sind technischer Natur: direkt online zu berichten, Clips zu drehen, vielleicht Live-Videos zu machen.

Wie schwer oder leicht fällt Ihnen das sogenannte Witwenschütteln, also das Sprechen mit Hinterbliebenen?

Als einmal mitten im Karnevalstrubel ein 23-jähriges Mädchen mi Rosenmontagszug von einem Wagen überrollt und getötet wurde, traf ich wenige Stunden später ihren Vater. Ich sprach ihm mein Beileid aus, er schilderte mir seine Gefühle. Ich sagte ihm, dass ich berichten muss, wie es alle anderen auch tun werden. Ich bat ihn um ein Foto – und er gab mir eins. Denn klar ist: Einer Tragödie ein menschliches Gesicht zu geben, macht sie erst komplett. Da wir Reporter und keine Seelsorger sind, fallen solche Gespräche natürlich nie leicht. Wichtig ist, in diesen Situationen immer Respekt und Anstand zu haben.

Der Boulevardjournalismus steht oft in der Kritik. Was halten Sie Kritikern entgegen?

Kritik am Boulevard fällt zunächst leicht, vieles ist durch die Studentenproteste gegen Springer über Generationen weitergegeben worden. Die pauschale Ablehnung ist immer noch überall zu spüren. Aber: Das wahre Leben ist oft so verrückt und unglaublich, dass viele Menschen es für ausgedacht oder völlig übertrieben halten, bloß weil die Buchstaben etwas größer sind. Sicher gibt es immer noch Geschichten, die Grenzen überschreiten, um Auflage oder Quote zu machen. Für eventuelle Verstöße gegen ethische Grundsätze und Persönlichkeitsrechte steht heute eine Kompanie an Medienanwälten bereit. Ich hatte in meinen 20 Berufsjahren noch keine einzige Gegendarstellung.

Was macht Ihnen im Boulevard besonders viel Spaß?

Ich behaupte mal: Kein Job ist abwechslungsreicher. Es kann ernsthaft passieren, dass man morgens mi Kältebus mit Obdachlosen spricht, mittags über Warnstreiks bei Ford berichtet und abends im Smoking neben einem Hollywoodstar steht. Bei der Reportage über Fallschirmspringer hüpfe ich mit aus dem Flugzeug, und bei der Geschichte über Rummelboxer steige ich selbst in den Ring.

Welche Eigenschaften sollten Berufsanfänger mitbringen?

Auf jeden Fall die Lust auf Umgang mit verschiedensten Menschen. Dazu extreme Hartnäckigkeit und ein dickes Fell. In den Redaktionen kämpfen alle Tag für Tag um ihre Geschichten, die Zeit ist knapp. Da wartet niemand auf einen Anfänger. In dieses Hamsterrad hineinzukommen und sich da zu behaupten, braucht viel Ehrgeiz und einen langen Atem. Und: Auto/Roller, Handy, Kamera und Laptop sind natürlich von Vorteil.

Haben Sie praktische Tipps für den Einstieg?

Bei einem Praktikum checkt man relativ schnell, wie es in der Redaktion zugeht. Wer gut ist, bleibt dabei. Aus dauerhafter Mitarbeit kann sich die Chance auf Volontariat oder Anstellung ergeben. Das Wichtigste ist Leidenschaft für den Job. Die kann man nicht studieren.